13 Prozent des Trinkwassers gehen durch Lecks im Leitungsnetz verloren
BAD HOMBURG - Nicht erst im vergangenen Sommer wurde deutlich: Wasser ist ein knappes Gut. Und dennoch förderten die Wasserwerke in Deutschland 2021 ungefähr fünf Billionen Liter Trinkwasser, weit mehr als 100 Liter Wasser pro Einwohner und Tag. Das Lebenselixier wird aus Sand- und Kiesschichten gewonnen, ganz tief im Untergrund. Aber auch oberirdisch wird Wasser aufbereitet und ins Trinkwassernetz eingespeist, etwa Quellwasser, Uferfiltrate sowie Wasser aus Flüssen und Talsperren.
Doch im weit verzweigten Leitungsnetz gehen große Mengen des kostbaren Nasses verloren. Rund fünf Prozent des Trinkwassers versickerten hierzulande allein 2020 auf dem weiten Weg vom Wasserwerk zum Haushalt. Auch beim Bad Homburger Konsumenten kommt nicht alles von dem aufbereiteten Wasser an. Die Kurstadt hat mit immensen Wasserverlusten zu kämpfen. Das belegen die Daten aus der Wasserbilanz des Regierungspräsidiums Darmstadt, die auf Angaben der Kommunen beruhen. Im Hochtaunuskreis ist Bad Homburg zusammen mit Steinbach Spitzenreiter in Sachen Wasserverluste im Jahr 2021.
Aus den Daten geht hervor, dass 13 Prozent des Trinkwassers ungenutzt im Boden versickern. Die Stadtwerke haben 4096080 Kubikmeter Trinkwasser aus eigenen Förderanlagen und aus dem Fremdbezug in das Wasserleitungssystem eingespeist. Davon kamen lediglich 3471548 Kubikmeter bei den Verbrauchern an. 531532 Kubikmeter sind also im Untergrund verschwunden. Zum Vergleich: Das sind 759 gefüllte 25-Meter-Becken im Seedammbad. Wie kann das sein? Grund dafür sei das teilweise marode und undichte Leitungssystem, sagt Hilbert Baldt vom BUND Ortsverband. Stadtsprecher Marc Kolbe räumt das ein. Doch das sei nicht der einzige Grund. So seien auch Schäden durch Fremdeinwirkung - beispielsweise von Baggern - Grund für undichte Leitungen. Rohrschäden und Wasserverluste werden laut Experten des Vereins des Gas- und Wasserfaches auch durch Drucküberschüsse hervorgerufen. Zu hoher Druck gefährde die Leitungen, das ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen. Und Wasserwerke richteten oft den Druck pauschal an den wenigen Verbrauchsspitzen des Tages aus, wodurch er durchschnittlich zu hoch und das Rohrleitungsnetz auf Verschleiß gefahren wird.
Zudem sind die Trinkwasseranschlussleitungen auf privaten Grundstücken veraltet, erklärt Kolbe. Mancherorts führt der „saure Boden“ auch zu Lochfraß in den Gussleitungen. Marode Netze sind aber im gesamten 530000 Kilometer langen Trinkwassernetz Deutschlands ein Problem. Das Leitungssystem ist komplex und alt: Zwar haben Ingenieure bereits im 19. Jahrhundert mit dem Bau des öffentlichen Trinkwassernetzes begonnen, der Großteil der heutigen Infrastruktur wurde aber in den 1950er und 1960er Jahren errichtet oder erneuert; in Homburg stammen die Rohre aus den 1970ern. Entstanden ist ein weit verzweigtes Dickicht aus Rohren verschiedener Durchmesser, deren Alter, Material, Verschleißgrad und Verlegung nicht immer exakt dokumentiert sind. Außerdem kommen noch „Flansche, Schieber, Muffen, Verteiler, Ventile, Druckminderer, Verschraubungen und Verbindungen“ hinzu, die seit Jahrzehnten strömungs- und witterungsbedingtem Verschleiß, hohem Druck, Korrosion sowie verkehrsbedingten oder seismischen Erschütterungen ausgesetzt sind“, heißt es in einem Fachblatt.
Diese schwierige Gemengelage bereitet auch den hiesigen Stadtwerken Kopfzerbrechen. Was also tun, um die Wasserverluste zu vermeiden? Schließlich sind sie teuer, erhöhen den Wartungsaufwand und sie kosten Energie. „Leckagen und Undichtigkeiten lassen sich in dem historisch gewachsenen Trinkwassernetz nicht von heute auf morgen beseitigen“, sagt Stadtsprecher Kolbe. Die Stadt setzt auf „ein Zusammenspiel aus einem Sanierungskonzept, der entsprechenden Instandhaltungsstrategie und der Früherkennung von Wasserverlusten, bevor diese sichtbar werden, so Kolbe. Dazu gehöre die engmaschige Kontrolle auf noch nicht sichtbare Rohrbrüche und deren sofortige Beseitigung, heißt es. Das Trinkwassernetz der Stadtwerke besteht aus fünf Versorgungszonen. Alle Zonen werden grundsätzlich über die Behälterabgaben überwacht, um die Wassermengen bilanzieren zu können und größere Wasserverluste beziehungsweise überproportionale Wasserabgaben frühzeitig zu erkennen.
Im Jahr 2022 seien durch gezielte Überprüfung von drei der fünf Versorgungszonen größere noch nicht sichtbare Wasserverluste erkannt und beseitigt worden, heißt es von den Stadtwerken.
Aktuell teste man laut Kolbe auch den Einsatz neuer Überprüfungstechniken zur Ortung von Wasserrohrbrüchen. Hinzu kommt der flächendeckende Einsatz von Ultraschallwasserzählern auch in den Haushalten, um dort Wasserverluste in den Hausinstallationen frühzeitig erkennen zu können. „Die Stadtwerke rechnen schon für die Bilanz 2022 mit einem deutlich verringerten Verlust“, sagt Kolbe.
Für Hilbert Baldt vom BUND ist das höchste Zeit; er fordert die Stadt nachdrücklich zum Handeln auf. „Warum sparen die Menschen im Sommer Wasser, nur damit es im Boden versickert?“
Der BUND erinnert daran, dass die Kurstadt 2021 822000 Kubikmeter von überregionalen Wasserlieferanten beziehen musste. „65 Prozent von diesem zugekauften Wasser dienten nur dazu, die Wasserverluste im Rohrnetz auszugleichen.“